Ein Gastbeitrag von Holger Gräf
Ein kurzer Hinweis vorab: Wenn hier vom „Widerstand“ die Rede ist, meint das eine heterogene Gemeinschaft politisch unzufriedener Menschen in Deutschland, die sich seit 2020 gebildet hat – im Wesentlichen als Reaktion auf die staatliche Übergriffigkeit während der Coronazeit. Damals wurden grundlegende Grundrechte verletzt. Ausdruck fand dieser Protest u.a. in Demonstrationen und in der Gründung der Basisdemokratischen Partei Deutschland (dieBasis). Auch das Vertrauen in klassische Medien nahm stark ab, weshalb innerhalb des Widerstands eigene, sogenannte Alternativmedien entstanden sind, die meist spendenfinanziert betrieben werden.
Je nach Schätzung gehören dieser Gruppe rund 23 bis 26 Millionen Wahlberechtigte (von insgesamt ca. 60 Millionen) in Deutschland an.

Ein Vergleich mit Augenzwinkern: Der Widerstand als Fußballmannschaft
Wenn ich (zwangsläufig) mitbekomme, was im Widerstand diskutiert wird, welche Themen dominieren und in welche Richtung sich alles entwickelt, dann erinnert mich das Ganze unweigerlich an den chaotischen Hühnerhaufen aus dem alten Bud-Spencer-Film „Sie nannten ihn Mücke“. Nur leider fehlt hier jemand wie Mücke – jemand, der das Ganze zusammenhält, motiviert und in die richtige Richtung lenkt.
Bleiben wir beim Sport: Stellen wir uns vor, der Widerstand wäre die deutsche Fußballnationalmannschaft. Alle vier Jahre haben wir die Chance, Weltmeister zu werden – oder im übertragenen Sinn: unser politisches Ziel zu erreichen. Doch statt uns darauf zu konzentrieren, dieses Ziel zu verstehen und eine wirklich tragfähige, umsetzbare Strategie zu entwickeln, verlieren wir uns im Dauer-Drama, in Durchhalteparolen und im blinden Glauben, es werde schon irgendwie klappen.
Da wird sich aufgeregt:
– Der englische Stürmer wurde betrunken am Steuer erwischt.
– Der niederländische Torwart hat seine Frau verlassen.
– Der spanische Mittelfeldspieler beleidigt seine Fans.
Skandal! Empörung! How dare you!
Aber trainieren? Taktik? Spielplan? Fehlanzeige! Und so reisen wir zwar voller Energie, aber völlig unvorbereitet zur Weltmeisterschaft – und scheiden bereits in der Vorrunde aus. Anschließend schimpfen wir laut über das „unfaire Spiel“.
Dabei ist das fast schon ein Fortschritt: 2021 waren wir überzeugt, dass der beste Weg zum Sieg sei, gar nicht aufs Spielfeld zu gehen. Statt zu wählen, blieb ein großer Teil zu Hause – und wunderte sich später, dass andere den „Pokal“ gewannen. Ausgerechnet die grüne „Hoftruppe“!
Zurück in die Realität
2021 ließen sich viele im Widerstand einreden, Nichtwählen sei die Lösung. Seit 2023 wiederum setzen viele ihre ganze Hoffnung auf die AfD – als vermeintlich „einzige Alternative“.
Beide Strategien sind – aus unterschiedlichen Gründen – krachend gescheitert. Warum? Weil sie keine echte Strategien waren und gar nicht funktionieren konnten. Sie gingen schon rein rechnerisch nicht auf. Kein Plan. Kein gemeinsames Ziel. Kein Spielsystem.
Stattdessen lassen wir uns ablenken – täglich, stündlich – von der nächsten „aufregenden“ Nachricht aus alternativen Kanälen:
– „Brigitte Macron hat Emmanuel geohrfeigt.“
– „Annalena Baerbock ist UN-Chefin geworden.“
– „Die AfD wird vom Verfassungsschutz beobachtet.“
– „Die AfD soll verboten werden.“
– „Anton Hofreiter will gegen Beleidigungen klagen.“
– „Jan Böhmermann hat Clownswelt gedoxt.“
– „Das Wetterfarben-Schema wurde manipuliert!“
– „Elon Musk ist drogensüchtig (oder auch nicht).“
– „DIW-Präsident will günstigen Wohnraum für Migranten.“
– „Der Verfassungsgerichtshof Berlin lehnt Grenzschließungen ab.“
– „Die deutsche Fahne soll verschwinden.“
Und wenn es mal nichts Neues gibt (oder nicht genug), kramen wir eben alte Aufreger hervor:
„Wusstet ihr noch? Joachim Gauck hat 2021 Impfgegner als Bekloppte bezeichnet!“
Empörung ist keine Strategie
Um eines klarzustellen: Es ist wichtig, sich zu erinnern. Es ist richtig, nicht zu vergessen, was geschehen ist. Aber wenn man sich nur noch empört, Tag für Tag, dann fehlt am Ende die Kraft – und vor allem der Plan – für echte Veränderung. Schließlich heißt es in Art. 20, Abs. 2, Satz 2 GG: „Sie (die Staatsgewalt) wird vom deutschen Volke durch Wahlen und Abstimmungen…. ausgeübt“, und nicht „durch Empörung und dem Teilen von Skandalen.“
Und auch das sei noch einmal gesagt: Wer alle Hoffnungen in einen einzigen blauen Korb legt (und jeden kritisiert, der diesen vermeintlichen „Plan“ kritisch sieht), handelt genauso planlos wie jemand, der gar nicht erst mitspielt.
Fazit
Widerstand ohne Strategie ist wie eine Fußballmannschaft ohne Trainer. Wer gewinnen will, muss nicht nur den Gegner kennen – sondern vor allem sich selbst organisieren, fokussieren und gemeinsam auf ein realistisches Ziel hinarbeiten.
Denn sonst wird’s wieder nur eine Vorrunde voller Skandale – und keiner hebt am Ende den Pokal.
Und noch etwas: Gewinnen kann man niemals alleine. Das gilt im Fußball genauso wie in der Politik. Die Brandmauer kann nur so lange aufrechterhalten werden, wie sich alle anderen gegen einen einzelnen stellen können. So viel zum Thema „einzige Hoffnung“. Die kann es nämlich gar nicht geben.
Noch haben wir nicht verloren. Noch blicken wir hoffnungsvoll auf eine Bundestagswahl in 2029. Nutzen wir sie doch endlich einmal!
Dieser Artikel ist Teil einer Artikelserie. Teil 1 der Serie findest Du hier.
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