Der Goldschakal und die Grundrechte

Ein Gastbeitrag von Frank Bothmann

Angriff auf eine Schafherde auf Sylt durch einen Goldschakal

Auf der Insel Sylt hat ein Goldschakal bis zu 90 Tiere einer Schafherde verletzt und getötet. Der Schakal ist ein Neuling in unserer Landschaft, der durch natürliche Lebensraumerweiterung, immer mehr in den Westen unseres Landes einwandert.

In der Presse ist zu lesen, dass die Schäferfamilie dem Schakal zusehen konnte. Die Schäferei verdient mit einer Herde von 600 Tieren ihren Lebensunterhalt. Die Beweidung der Deiche auf Sylt ist, wie überall in Deutschland, eine sehr wichtige Deichsicherungsmaßnahme. Die Grasnarbe wird durch die Beweidung gefestigt und die Deiche erhalten damit eine Stabilität, die für die Menschen an der „Waterkant“ lebenswichtig ist.

Der Schaden für die Schäferei durch den Verlust der Tiere zieht sich über mehrere Jahre, weil durch den Riss, überwiegend von Lämmern, die Nachzucht im Folgejahr deutlich geringer ist.

Klagerecht gegen Abschuss: Ein Zielkonflikt

Nun hat eine der sogenannten anerkannten Naturschutzverbände, von ihrem Klagerecht Gebrauch gemacht, wodurch der Abschuss des Goldschakals (im Amtsdeutsch: Entnahme) gerichtlich untersagt wurde. Andere Naturschutzverbände hatten im Vorfeld dem Schutz vor weiteren Schaden an der Schafsherde jedoch zugestimmt.

Dieses aktuelle Beispiel zeigt ein Dilemma auf, welches wir auch aus der Diskussion um die Rückkehr der Wölfe in unsere Kulturlandschaft kennen, aber eigentlich uns nicht trauen anzusprechen. Die Frage lautet: Steht das Naturschutz- und Verbandsklagerecht über den individuellen Grundrechten nach unserem Grundgesetz?

Die Beantwortung kann an dieser Stelle natürlich nicht vollständig und schon gar nicht verfassungsrechtlich erschöpfend vorgenommen werden. Dennoch tauchen hier folgende vertiefende Fragen auf. Der Schäfer ist durch das Naturschutzrecht verdammt dabei zuzusehen, wie sein Eigentum zerstört wird (Schakale sind geschützte Tiere). Ist dies mit dem Schutz der Menschenwürde nach Artikel 1 GG vereinbar und mit dem Schutz des Eigentums (Artikel 14)? Ist es nicht unwürdig, den Schäfer mit seinem Schaden allein zu lassen, obwohl er erhebliche Dienstleistungen für die Allgemeinheit erbringt?

Grundrechte im Konflikt mit dem Naturschutz

In Artikel 12 GG ist bestimmt, dass alle Deutschen das Recht haben, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Gilt dies nun für den Schäfer nicht? Auch hier ersteht ein deutlicher Widerspruch. Über diesen Umstand entscheiden in diesem Fall eine staatliche Umweltbehörde und -schutzverbände und nicht der Schäfer selber. Die Deichsicherung ist lebenswichtig für alle Menschen, die in Küstennähe wohnen. Artikel 2 bestimmt, dass jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat. Wird dies nicht durch die Störung der Deichunterhaltung potenziell gefährdet?

Dieser Perspektivwechsel verdeutlicht uns folgendes: Die individuellen Grundrechte (Artikel 1 – 19 GG) sind universell und sollen Garant für ein menschliches gesellschaftliches Zusammenleben sein. Dennoch sind diese in unserer Wahrnehmung und Beurteilung vollkommen in den Hintergrund getreten. Sie tauchen inhaltlich in der medialen Diskussion überhaupt nicht auf. Warum ist das so? Wir leben in einer Zeit, in der Partikularinteressen immer mehr in den Vordergrund treten. Darüber wird jedoch die gemeinschaftliche Werteebene vergessen. Gerade diese Werte, beispielsweise in Form der Grundrechte, sind jedoch essenziell für eine demokratische und menschliche Gesellschaft.