„Begründete Zweifel“ allein reichen nicht

Warum unsere Wahlfreiheit ernst genommen werden muss

Eine Position von Patrick Krone

Demokratie lebt vom Vertrauen. Sowohl in die, die wählen, als auch in die, die gewählt werden wollen. Unsere Grundrechte schützen nicht nur unsere Stimme (aktives Wahlrecht), sondern auch das Recht, gewählt zu werden (passives Wahlrecht). Daraus folgen zentrale Prinzipien: Wahlfreiheit und Wahlgleichheit. Es sind Grundpfeiler unserer Wahlen, auch bei den Kommunalwahlen in NRW 2025.

1. Wahlfreiheit und Wahlgleichheit: Was steht auf dem Spiel?

Das Grundgesetz und die Landesverfassung NRW verbürgen, dass Wahlen allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim sein müssen. Jede Stimme soll gleich viel zählen, ebenso jedes passive Wahlrecht eines Kandidaten. Niemand darf willkürlich ausgeschlossen werden.

Dies gilt auch formal: Wenn ein Kandidat – aus welchen Gründen auch immer – ausgeschlossen wird, verschiebt sich das Kräfteverhältnis in einer Wahl und verletzt die Chancengleichheit. Gerade kleinere Parteien oder unabhängige Kandidaturen sind davon besonders betroffen. Dies zeigt die Rechtsprechung etwa zur Sitzverteilung: Verfahren, die kleinere Parteien systematisch benachteiligen, verstoßen gegen die Wahlgleichheit.

2. „Begründete Zweifel an der Verfassungstreue“: Was heißt das?

Aktuell werden Kandidaturen abgelehnt, weil „begrün­dete Zweifel“ bestehen, dass die Person jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintritt. Doch:

Diese Formulierung bleibt vage. Sie klingt mehr wie eine innere Haltungsvorhersage als klarer Ausschlussgrund.

Formal reicht sie nicht aus, um jemanden vom Wahlzettel zu streichen. Es müssen konkrete Tatsachen vorliegen: belastbare Hinweise, die nachvollziehbar zeigen, dass eine demokratische Grundordnung abgelehnt wird.

Der Verfassungsschutz kann solche Informationen liefern, etwa Einstufungen oder Erkenntnisse über politische Netzwerke. Er darf aber nicht entscheiden, wer kandidieren darf und wer nicht. Das bleibt Aufgabe der Wahlorgane.

3. Grundrechte vs. Geheimdienstpraxis, ein gefährliches Ungleichgewicht

Der Einsatz von Erkenntnissen des Verfassungsschutzes für Wahlprüfung hebt einen Spaltpfad: Einerseits dienen sie dem Schutz der Demokratie; andererseits betreffen sie eine Person, die demokratisch kandidieren will. Hier liegt ein demokratisches Dilemma: Durchsicht? Oder schützende Vertraulichkeit?

Wenn der Verfassungsschutz Warnungen herausgibt, entsteht öffentlicher Druck, oft ohne dass klare Belege transparent gemacht werden. Das reduziert öffentliche Kontrolle und stärkt die Macht des Wahlgremiums ohne effektive Kontrollmöglichkeit durch die Öffentlichkeit oder Gerichte.

Gerade deshalb ist es so wichtig, dass die Rechtsprinzipien der Wahlfreiheit und Wahlgleichheit nicht durch unklare oder geheim gehaltene Informationen ausgehöhlt werden.

Denn Grundrechte verlieren ihren Wert, wenn sie im Geheimen relativiert oder vorbehaltlich gemacht werden.

4. Fazit: Demokratie braucht Nachvollziehbarkeit und klare Maßstäbe

Grundrechte gelten absolut, auch für demokratisch umstrittene Personen.

Formeln wie „begrün­dete Zweifel“ müssen belegbar gemacht werden und dürfen nicht zur Bagatellformel verkommen.

Der Verfassungsschutz kann informieren, aber nicht entscheiden.

Wähler sowie Kandidaten haben das Recht, zu erfahren, auf welcher Grundlage Wahlentscheidungen getroffen wurden.

Gerade im Wahlprozess zählt jede Stimme und jede Kandidatur. Niedrige Standards bei der Zulassung gefährden Wahlfreiheit und Wahlgleichheit systematisch.

Demokratie ist kein Selbstläufer. Sie braucht klare, transparente Entscheidungen und Vertrauen in Ihre Institutionen. Gerade dann, wenn es um die Wahlprinzipien Wahlfreiheit und Wahlgleichheit geht. Wenn wir zulassen, dass Kandidaturen im Dunkeln ausgeschlossen werden, läuft etwas sehr grundlegend schief.

Das derzeitige Verfahren zur Zulassung von Wahlbewerbern in NRW weist erhebliche Mängel auf und eröffnet Raum für Machtmissbrauch, etwa durch politisch motivierte Ausschlüsse oder selektive Informationsnutzung. Daraus folgt die zwingende Notwendigkeit wirksamer basisdemokratischer Machtbegrenzung. Unabhängige Wahlausschüsse, plural besetzt und transparent arbeitend, sowie die kontrollierte Zuhilfenahme des Verfassungsschutzes können Machtkonzentration verhindern. Der Verfassungsschutz selbst bedarf dabei fachlicher Aufsicht, z.B. durch ein basisdemokratisches Kontrollgremium, das mit zufällig gewählten Bürgern besetzt ist, um parteipolitische Einflussnahme zu verhindern.

Beispiel: Liefert der Verfassungsschutz belastbare Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Aktivitäten, entscheidet der Ausschuss in einem offenen Verfahren unter öffentlicher Kontrolle rechtlich fundiert statt willkürlich.

Quellen:

https://www.bpb.de/themen/politisches-system/wahlen-in-deutschland/335616/wahlrechtsgrundsaetze/?

https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/gericht-urteil-kommunalwahlgesetz-100.html

https://wwnews.de/news/verfassungsschutz-warnt-vor-afd-kandidaten-die-methode-wahlausschluss/?