Rückgang beim Solarausbau in NRW. Bremst das Solarspitzengesetz?

Im ersten Halbjahr 2025 wurden in Nordrhein-Westfalen weniger neue Solaranlagen installiert als im Vorjahreszeitraum. Besonders bei größeren Dachanlagen und dem Freiflächenausbau ist die Dynamik gebrochen. Die Landesregierung hatte ambitionierte Ziele: Bis 2030 sollte die Solarstromleistung in NRW vervielfacht werden. Der aktuelle Rückgang zeigt, dass bürokratische Hürden und technische Anforderungen private Haushalte, Kommunen und Mittelstand ausbremsen.
Ein wesentlicher Grund könnte das neue Solarspitzengesetz sein, das seit Februar 2025 in Kraft ist. Es soll das Stromnetz stabilisieren, doch in der Praxis bedeutet es vor allem einen Kontrollverlust für Anlagenbetreiber.

Solarspitzengesetz für Rückgang beim Solarausbau
Rückgang beim Solarausbau in NRW. Bremst das Solarspitzengesetz?

Das Solarspitzengesetz: Netzstabilität auf Kosten der Bürger?

Seit dem 25. Februar 2025 unterliegen alle neuen PV-Anlagen ab etwa 2 kWp einer zentralen Anforderung: Sie müssen entweder über ein intelligentes Messsystem und eine Steuerbox verfügen oder dürfen nur maximal 60 % ihrer Leistung einspeisen.
Wer eine neue Solaranlage ab ca. 2 kWp betreibt, muss sie also technisch steuerbar machen. Das bedeutet, dass die Anlage vom Netzbetreiber fernabgeregelt oder ganz abgeschaltet werden kann, und zwar ohne aktive Zustimmung oder Einflussnahme des Betreibers.
Konkret heißt das: Der Bürger bzw. Erzeuger investiert in eine Solaranlage, aber jemand anderes entscheidet, ob und wann der produzierte Strom ins Netz darf.

Abregelung auf Knopfdruck – auch ohne echte Notwendigkeit

Ob Stromüberschüsse, negative Börsenpreise oder einfach lokale Netzschwankungen – das Gesetz erlaubt es Netzbetreibern, zentralisiert einzugreifen, selbst wenn regional keine Netzüberlastung vorliegt. Was technisch möglich ist, ist aber politisch heikel, denn die Entscheidung liegt nicht beim Erzeuger.
Es besteht kein einklagbares Mitspracherecht, keine Pflicht zur Vorabinformation und in einigen Fällen auch keine Vergütung für den nicht eingespeisten Strom.

Bürgerenergie wird steuerbar gemacht – inklusive Fernabschaltung

Viele neue Anlagen werden heute von Bürgern, Genossenschaften oder Kommunen gebaut. Doch mit dem Solarspitzengesetz wird aus aktiver Mitgestaltung plötzlich passives Erzeugertum. Die Einspeisung hängt vom Netzbetreiber ab, nicht vom Energiebedarf oder vom Wetter.
Selbst technisch versierte Betreiber können nicht selbst entscheiden, wann ihre Anlage abgeschaltet wird – die Steuerbox ist keine „smarte Schnittstelle“, sondern eine Art Fernbedienung mit einseitiger Kontrolle.
Wer also eine steuerbare PV-Anlage betreibt, überträgt dem Netzbetreiber die Möglichkeit, seine Anlage fernzusteuern. Das bedeutet konkret:
• Reduzierung der Einspeiseleistung auf ein gewünschtes Maß – bis hin zu null
• Eingriffe bei Netzengpässen oder negativen Strompreisen
• Kein Mitspracherecht für den Betreiber im Moment der Abregelung
Zwar soll es für solche Eingriffe teilweise Entschädigungen geben. Doch bei bestimmten Konstellationen, z. B. bei negativen Börsenpreisen, wird der eingespeiste Strom nicht vergütet. Damit droht eine systematische Entwertung von Solarstrom – gerade in Zeiten hoher Produktion.

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Fehlanreize statt Netzintelligenz

Statt auf Koordination, Flexibilität und lokale Energiemärkte zu setzen, geht das Gesetz den zentralistischen Weg. Die Idee: Im Zweifel lieber Solarstrom drosseln, als Netzengpässe riskieren. Doch genau das konterkariert die Energiewende, denn diese lebt von Dezentralität, Beteiligung und Vertrauen.
Mit dem neuen Gesetz entstehen:
• Rechtsunsicherheiten für Betreiber
• Investitionsrisiken für neue Projekte
• und Demobilisierung in der Solarbranche.

Was müsste anders laufen?

Ein zukunftsfähiges Netz braucht aktive Mitwirkung von Erzeugern – und nicht deren Ausschluss. Das geht nur, wenn:
• Betreiber in Abschaltentscheidungen einbezogen werden
• es transparente Kriterien und Meldepflichten gibt
• für jede Abregelung eine gesetzlich garantierte Vergütung vorgesehen ist
• Lokale Nutzung Vorrang vor Abschaltung hat
• Speicher zu moderaten Preisen verfügbar sind

Speicher als Schutzschild – teuer und ineffektiv

Das Solarspitzengesetz entpuppt sich somit als ein regulatorischer Wahnsinn, da für bestehende Anlagen der Förderzeitraum im Viertelstundentakt bei Abschaltung unterbrochen und hinten angehängt wird. Um sich gegen die wirtschaftlichen Folgen von Abregelung zu schützen, können Batteriespeicher eingesetzt werden. Sie ermöglichen es, überschüssigen Solarstrom lokal zu nutzen, statt ihn ins Netz einzuspeisen und reduzieren so das Risiko, dass überhaupt eingegriffen wird. Diese Speicher schlagen jedoch mit derart hohen Kosten zu Buche, das auch dies keine Lösung darstellt.

In NRW gibt es keine landesweite Förderung für private Speicher mehr. Das einst erfolgreiche Programm „progres.nrw“ wurde eingestellt. Einige Städte wie Köln, Düsseldorf oder Essen bieten weiterhin kommunale Zuschüsse, diese zu erlangen ist jedoch mit bürokratischen Hürden verbunden und die Kosten für die Erzeuger werden nicht gedeckt.

Speicherlösungen als Argument gegen die Fremdsteuerung der Energieversorgung greifen nicht, da die Kosten für den durchschnittlichen Verdiener nicht bezahlbar sind.

Fazit: Steuerung darf nicht gleichbedeutend mit Enteignung sein

Das Solarspitzengesetz geht zu weit: Es gibt Netzbetreibern neue Werkzeuge, aber den Bürgern keine demokratische Kontrolle. Es verwandelt tausende Bürgerinnen und Bürger, die in die Energiewende investieren wollen, in abhängige Erzeuger ohne Entscheidungsfreiheit.


NRW braucht eine Solarpolitik mit Mitspracherechten und Selbstbestimmung für Erzeuger – kein System, in dem Bürger Strom erzeugen dürfen, solange jemand anderes das für richtig hält.

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Quelle:
https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/solarzellen-bilanz-ausbau-halbjahr-100.html