Ein Gastbeitrag von Patrick Krone
Warum wir oft nicht sagen, was wir denken.
Wir leben in einem freien Land. Wir dürfen sagen, was wir wollen – so steht es schließlich im Grundgesetz. Doch viele Menschen tun es nicht. Nicht, weil sie es nicht könnten, sondern weil sie es nicht wagen.
Warum?
Weil in uns allen eine tiefe Angst lebt. Eine Urangst.
Die Angst, verurteilt zu werden. Die Angst, falsch dazustehen. Die Angst, dass andere schlecht über uns denken.
Diese Angst ist kein Zeichen von Schwäche. Sie ist menschlich. Sie stammt aus Zeiten, in denen es überlebenswichtig war, zur Gruppe zu gehören. Wer ausgeschlossen wurde, hatte früher kaum eine Chance zu überleben. Und obwohl wir heute nicht mehr in Höhlen leben, wirkt diese Angst noch immer in uns.
Heute fürchten wir nicht mehr den Bären, sondern den Blick der anderen.

Wir wollen nicht auffallen.
Nicht anecken. Wir wollen dazugehören. Und genau deshalb halten viele den Mund, wenn sie etwas sagen möchten. Oder sie sagen etwas anderes – etwas Angepasstes. Etwas, das harmlos klingt und möglichst niemanden stört.
Das betrifft nicht nur Einzelne – es betrifft eine ganze 80-Millionen-Gesellschaft. In Deutschland zeigt sich dieses Phänomen besonders stark. Viele haben das Gefühl, ständig aufpassen zu müssen, wie sie sich ausdrücken. Ob im Job, an der Uni, in der Schule oder im Netz: Man wählt seine Worte mit Bedacht. Nicht wegen des Staates, sondern wegen der Reaktionen aus dem eigenen Umfeld.
„Darf man das so sagen?“
Diese Frage begleitet heute fast jedes Gespräch.
Wir sind nicht unfrei durch Gesetze, sondern durch die Angst vor sozialer Ablehnung. Die Meinungsfreiheit stirbt nicht durch Zensur, sondern durch Selbstzensur.
Und das ist die eigentliche Gefahr.
Denn wo Menschen sich nicht mehr trauen, ehrlich zu sprechen, entsteht ein Klima des Misstrauens, der Verunsicherung. Man redet aneinander vorbei, statt miteinander. Man sagt, was richtig klingt – nicht, was man wirklich denkt. Die Wahrheit wird leiser, und der Druck, angepasst zu sein, wird stärker.
Wer abweicht, wer Zweifel hat, wer Fragen stellt – steht schnell allein da.
Doch genau diese Stimmen brauchen wir.
Eine Demokratie lebt vom Widerspruch, von Diskussion, vom offenen Wort. Wenn wir anfangen, nur noch das zu sagen, was erlaubt erscheint, verlieren wir etwas sehr Wertvolles:
Unsere Ehrlichkeit.
Unsere Offenheit.
Unsere Menschlichkeit.
Was wäre, wenn wir unsere Angst anerkennen – aber uns nicht von ihr beherrschen lassen?
Was wäre, wenn wir beginnen, auch dann zu sprechen, wenn es unangenehm ist?
Wenn wir wieder lernen, andere Meinungen auszuhalten – ohne sofort zu bewerten?
Es ist Zeit, wieder mutiger zu werden.
Nicht laut oder radikal, sondern ehrlich und mutig. Es ist Zeit, Räume zu schaffen, in denen man sagen darf, was ist – ohne Angst, dafür ausgeschlossen zu werden.
Denn Freiheit beginnt nicht im Gesetzbuch – sie beginnt in uns selbst.