Gericht kippt Verbot des Compact-Magazins
Von Redaktion dieBasis NRW
Leipzig/Berlin. Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig hat das vom Bundesinnenministerium im Jahr 2023 verhängte Verbot des Compact-Magazins vorläufig aufgehoben. Damit steht fest: Der Versuch, das Magazin per Verwaltungsakt aus dem Verkehr zu ziehen, ist rechtlich nicht haltbar – zumindest nicht in der aktuellen Form. Es ist ein Urteil, das weit über den konkreten Fall hinausweist. Im Kern geht es um eine zentrale Frage unserer Demokratie: Wie weit darf der Staat in die Pressefreiheit eingreifen?

Das Verbot: politisch motiviert oder rechtlich notwendig?
Am 22. November 2023 ließ Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) den Verlag hinter dem Compact-Magazin verbieten. Der Vorwurf: Das Magazin fungiere als Plattform rechtsextremistischer Agitation, gefährde die freiheitlich-demokratische Grundordnung und verstoße gegen das Vereinsgesetz. In der offiziellen Mitteilung sprach das Innenministerium von einem „geistigen Brandstifter“, der mit antisemitischen, verschwörungsideologischen und demokratiefeindlichen Inhalten operiere.
Es war ein drastischer Schritt und ein Novum. Noch nie zuvor war in Deutschland ein journalistisch erscheinendes Medium in dieser Form verboten worden. Die Maßnahme betraf nicht nur die Zeitschrift selbst, sondern auch die gesamte Infrastruktur: Redaktion, Verlag, Vertrieb, Konten, Domains – alles wurde stillgelegt.
Kritik ließ nicht lange auf sich warten – nicht nur aus der rechten Szene, sondern auch aus Reihen von Juristen, Medienrechtlern und Bürgerrechtsorganisationen. Die zentrale Frage lautete: Darf ein demokratischer Staat ein missliebiges Medium einfach abschalten, auch wenn dessen Inhalte zweifelhaft, provokant oder gar extremistisch sind?
Gericht urteilt: Verhältnismäßigkeit fehlt
Im Juni 2025 erklärte das Bundesverwaltungsgericht das Verbot für rechtswidrig – zumindest vorläufig. In der Urteilsbegründung betonten die Richter, dass das Innenministerium den Nachweis der unmittelbaren Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht in ausreichender Weise erbracht habe. Es fehle an der erforderlichen Verhältnismäßigkeit.
Wörtlich heißt es im Urteil: „Die Berufung auf das Vereinsgesetz darf nicht dazu führen, dass der Staat sich anmaßt, durch administrative Maßnahmen redaktionelle Inhalte zu unterdrücken.“ Eine gerichtsfeste Abwägung zwischen staatlichem Schutzauftrag und Grundrechten, insbesondere der Pressefreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz, sei nicht ausreichend erfolgt.
Zwar ließen die Richter keinen Zweifel daran, dass sie Compact für politisch extrem, tendenziös und demokratiefeindlich halten. Doch der Eingriff in den Medienbetrieb sei ein massiver Schritt, der nur unter strengsten Voraussetzungen zulässig sei. Die Pressefreiheit gelte auch für Publikationen mit radikalem oder gar hetzerischem Inhalt, solange diese nicht unmittelbar zu Gewalt oder Umsturz aufrufen.
Reaktionen: Genugtuung, Kritik, Besorgnis
Die Reaktionen auf das Urteil fielen erwartungsgemäß gespalten aus. Die Redaktion von Compact feierte den Entscheid als „Sieg über Gesinnungsjustiz und Zensurstaat“. Chefredakteur Jürgen Elsässer sprach von einem „Triumph der Verfassung über eine entgleiste Innenpolitik“.
Auf der anderen Seite äußerten sich zahlreiche Politiker und zivilgesellschaftliche Organisationen enttäuscht. „Ein Magazin, das sich als Sprachrohr der extremen Rechten versteht, darf nicht schutzwürdig sein“, so der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz.
Medienrechtler hingegen sehen im Urteil eine wichtige Klarstellung. „Pressefreiheit gilt auch dann, wenn uns die Inhalte nicht gefallen“, erklärt Prof. Dr. Johanna Seibert von der Universität Mainz. „Demokratische Rechtsstaatlichkeit zeigt sich gerade daran, wie sie mit ihren Gegnern umgeht.“
Ein Präzedenzfall mit offenem Ausgang
Das letzte Wort ist in diesem Fall noch nicht gesprochen. Das Innenministerium kündigte umgehend an, Rechtsmittel einzulegen. Der Fall dürfte in absehbarer Zeit vor dem Bundesverfassungsgericht landen und dort endgültig geklärt werden. Schon jetzt ist jedoch klar: Die juristische Auseinandersetzung wird zur Grundsatzdebatte über die Reichweite staatlicher Eingriffsbefugnisse gegenüber der Presse.
Rechtsextreme Ideologien, Desinformation und verschwörungsideologische Propaganda sind reale Herausforderungen für unsere Gesellschaft. Doch wie wir ihnen begegnen – ob mit Verboten oder mit offener Auseinandersetzung – ist eine Frage, die an die Substanz der Demokratie rührt.
Demokratie muss Unbequemes aushalten können
Der Fall Compact offenbart ein Spannungsfeld, das die freiheitliche Gesellschaft aushalten muss. Eine offene Demokratie lebt nicht davon, unliebsame Stimmen zu verbieten, sondern davon, sie argumentativ zu entkräften. Der Staat muss wachsam und selbstkritisch sein. Wer Presseorgane schließt, schafft Präzedenzfälle, die sich gegen jede Form von Meinung wenden könnten.
Der Schutz der Demokratie darf nicht zur Aushöhlung ihrer eigenen Prinzipien führen. Das Urteil aus Leipzig erinnert uns daran, dass Pressefreiheit für alle gilt – gerade dann, wenn es unbequem wird.
✅ dieBasis setzt sich für uneingeschränkte Meinungsfreiheit und ein Ende staatlicher Eingriffe in unabhängige Medien ein. Denn Grundrechte gelten nicht nur für Konforme.
Quellen
https://www.bverwg.de/suche?q=Compact&db=p&dt=&start=1&lim=10&vfn=
https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/compact-magazin-nicht-verboten