Ein Gastbeitrag von Frank Bothmann
Dekarbonisierung bezeichnet die komplexen Prozesse der Umstellung in der Energiewirtschaft in Richtung eines niedrigeren Umsatzes von Kohlenstoff.
Seit dem 01.01.2024 ist das „Gesetz für die Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmenetze“ (WPG) in Kraft getreten. Dieses Wärmeplanungsgesetz, in Verbindung mit dem Gebäudeenergiegesetz (Heizungsgesetz) und den Verordnungen seitens der EU-Kommission, verpflichtet die Kommunen in Deutschland erstmals zur Wärmeplanung und bringt erhebliche Zwänge für alle Menschen, mit oder ohne Wohneigentum, mit sich.
Zu keinem der Gesetze und Verordnungen gab es bisher eine Vorberatung oder Einbeziehung der Bürger, um den grundsätzlichen Bedarf für solche Regelungen zu ermitteln.
Wo bleibt die kommunale Selbstverwaltung?
Die Kommunale Selbstverwaltung ist im § 28 des Grundgesetzes festgeschrieben. Städte und Kommunen sind dafür verantwortlich, ihre Energie- und Wasserversorgung eigenständig und nach den Bedürfnissen ihrer Bürger zu organisieren.
Das Wärmeplanungsgesetz (WPG) missachtet jedoch das Subsidiaritätsprinzip, da es den Kommunen umfangreiche Pflichten auferlegt, ohne klarzustellen, wie diese Aufgaben finanziert werden sollen.
Dieser Umstand ist den Erfindern des WPG natürlich bewusst, weshalb das Gesetz mit dem Zugang zu 500 Mio.Euro Fördergeldern gekoppelt wurde. Mit dieser 100% Förderung werden die Kommunen dazu angeregt, die neue Aufgabe der Wärmeplanung umzusetzen.
Es fehlen in den Kommunen jedoch die personellen und fachlichen Kapazitäten, so dass die „Wärmepläne“ durch Beratungsfirmen erarbeitet werden müssen, die wiederum über die Fördergelder finanziert werden.
Warum wird ein neuer Ordnungsrahmen für ein Gesetz erfunden?
Das WPG führt unter § 3 WPG 49 neue oder umgedeutete Begriffe ein, die zum Teil schwer verständlich sind. Dazu gehören Begriffe wie blauer oder türkiser Wasserstoff, Wärmeplan oder „unvermeidbare Abwärme“. Dies schafft eine neue Form der Wärmeplanung, die es so bisher nicht gab und die auch niemand vermisst hat und für die erst aufwendig ein komplexer Ordnungsrahmen erfunden werden muss.
Wo bleibt die politische und demokratische Mitwirkung?
Adressaten des Wärmeplanungsgesetzes (WPG) sind auf kommunaler Ebene die Energieversorgungsunternehmen. Im gesamten detailliert festgelegten Procedere der „Wärmeplanung“ findet jedoch in keiner Phase eine aktive Beteiligung der Stadtteilbewohner oder eine Pflicht zur Bedürfnisermittlung der Bürger statt. Es wird ausschließlich eine Offenlegung der Ergebnisse der jeweiligen Verfahrensschritte bestimmt, bei der eine Einsichtnahme ermöglicht wird und Stellungnahmen abgegeben werden können (§ 13 WPG). Wie mit bürgerschaftlichen Anregungen und Bedenken umzugehen ist, bleibt jedoch ungenannt.
Das WPG wird den Kommunen über eine Bundes- und Landesgesetzgebung aufgenötigt. Die umfangreich definierten Verfahrensschritte sehen keine politische oder demokratische Befassung der Wärmeplanung im Vorfeld vor. Es besteht also vorerst keine Möglichkeit im parlamentarischen Raum eine Diskussion über die grundsätzliche Notwendigkeit und den Umfang einer „Wärmeplanung“ zu führen. Zusammen mit der nicht vorgegebenen bürgerlichen Mitwirkung, ist dies ein Kennzeichen einer technokratischen Gesetzgebung.
Wie am Ende des technokratisch bestimmten Verfahrens eine politische Beschlussfassung in den jeweiligen Gremien einer Stadt stattfinden soll, ist im Gesetz nicht geregelt. Mit dem Ende des Verfahrens und in Verbindung mit dem Gebäudeenergiegesetz („Heizungsgesetz“) erlangt die sog. „Wärmeplanung“ eine rechtliche Verbindlichkeit.
Ziel des Wärmeplanungsgesetzes: Der Rückbau der Gasnetze
Eines der Hauptziele des Wärmeplanungsgesetzes (WPG) ist die „Dekarbonisierung“ und damit die Reduzierung der Gasinfrastruktur. Es wird davon ausgegangen, dass der Gasverbrauch verringert werden muss, ohne dass die Auswirkungen auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Bevölkerung berücksichtigt werden. Dieses Vorgehen greift in bestehende Infrastrukturen ein, die mit öffentlichen Mitteln gebaut wurden und ein wertvolles Gemeineigentum darstellen.
Aus der Gasversorgung in Mannheim
In der knapp 320 Tsd. Einwohner zählenden Stadt Mannheim sollen rund 24.400 Haushalte in naher Zukunft ihre Gasversorgung verlieren und auf teurere alternative Heizsysteme umsteigen. Die Wärmeplanung wurde dabei ohne nennenswerte Bürgerbeteiligung durchgeführt. Nur zwei Bürgerinformationsveranstaltungen wurden abgehalten, und die Bürger konnten ihre Meinung später schriftlich äußern. Der Großteil der Stellungnahmen drehte sich um den Wunsch, an das Fernwärmenetz angeschlossen zu werden, ohne dass die tatsächlichen Bedürfnisse der Bürger umfassend berücksichtigt wurden.
In Mannheim wurde also ohne eine nennenswerte Bürgerbeteiligung das Aus der günstigen Gasversorgung für einen erheblichen Bevölkerungsteil festgelegt.
Menschliche Bedürfnisse versus Technokratie
Das WPG ist ein technokratisch ausgerichtetes Gesetz, das politische Ziele wie die Dekarbonisierung als unumstößliche Normen festlegt, ohne auf lokale Bedürfnisse und sozio-ökonomische Bedingungen einzugehen. In vielen Städten wurde die kommunale Energieversorgung über Jahrhunderte hinweg erfolgreich organisiert. Ein weiteres Eingreifen auf gesetzlicher Ebene ist daher aus Sicht vieler Experten nicht notwendig.
Die Energieversorgung in kommunaler Verantwortung hat sich bewährt und reicht in so mancher Stadt bis in das 19. Jahrhundert zurück. In Bochum begann die kommunale Gasversorgung beispielsweise im Jahr 1855. Hier ist deshalb im Sinne der Subsidiarität kein weiterer Regelungsbedarf notwendig.
Warum demokratischer und politischer Widerstand notwendig ist
Die Macher des „Wärmeplanungsgesetzes“ gehen davon aus, dass das „Top-Down-Verfahren“ auf der kommunalen Ebene einfach administrativ umgesetzt wird. Dieser gesetzgeberischen Übergriffigkeit muss ein kommunalpolitischer Widerstand entgegengesetzt werden. Dies beinhaltet eine umfassende Information der Bevölkerung über die Folgen der sog. „Wärmeplanung“.
Politisch ist deshalb eine umfassende Mitwirkung der Bevölkerung zu verlangen. Diese sollte vor und während der Verfahrensdurchführung stattfinden, beispielsweise durch Bürgerbefragungen. Letztlich kann die sog. Wärmeplanung nur durch eine Bürgerabstimmung beschlossen oder abgelehnt werden. Diese Forderung ist von allen bürgernahen Kräften in den Kommunen zu stellen.
Fazit: Das „Wärmeplanungsgesetz“ ist ein Beispiel für technokratische Gesetzgebung, die politische Ziele ohne ausreichende demokratische und bürgerliche Mitbestimmung durchsetzt. Eine transparente und umfassende Bürgerbeteiligung ist notwendig, um die tatsächlichen Bedürfnisse der Bevölkerung zu berücksichtigen.
Frank Bothmann, Vorstand
Für Rückfragen und Diskussionen zu diesem Beitrag steht der Autor Frank Bothmann unter der E-Mail-Anschrift: gerne zur Verfügung.